Letzte Instanz
Die Letzte Instanz bekennt sich „Schuldig“!
Schuldig, klare Positionen zu vertreten, musikalisch wie
inhaltlich. 13 neue Songs, berührende
Texte und klare Ansagen an die Szene und darüber hinaus. Nach dem
Akustikalbum zum
Bandjubiläum hatte sich die Letzte Instanz dafür einen
Codex erstellt. Das Dogma: „Keine
Spielerei, pure energetische Rockmusik!“ Rezession ist woanders,
für die Band wird 2009 das
Jahr des Aufbruchs.
Dabei war es noch nie leicht, die drei Bayern, drei Sachsen und
einen in Istanbul lebenden
Berliner musikalisch einzuordnen. Selbst, wenn man Schlagworte
wie Brachialromantik, Folk,
Gothic oder Rock als Eckpfeiler ausmachen
kann, was sich tatsächlich auf dem weiten Feld
dazwischen entfaltet, distanziert man sich doch von jedem
Kategorisierungsversuch. Immer
zwischen den Stühlen also und dennoch mitten ins Herz.
Das gilt auch für das neue Album „Schuldig“. Trotz aller musikalischen
Vielfalt klingt es wie
aus einem Guss. Zeitgleich ist es ein Statement an die hiesige,
deutschsprachige Rockszene. Es
ist das vierte Album in dieser Besetzung und offensichtlich wuchs
hier über lange Zeit
zusammen, was zusammen gehört. Es verbindet die Stärken der
letzten Produktionen und ist
dennoch ein Aufbruch zu Ufern. Es demonstriert eine konsequente
Weiterentwicklung.
Vergleichsweise zum Vorgänger „Wir sind Gold“ ist es jedoch
ein Paukenschlag. Plakativer
gesagt, wenn „Wir sind
Gold“ ein Gothic-Chanson ist, dann
ist „Schuldig“ purer Rock’n’Roll.
Als ginge es darum, der Welt zu zeigen, dass die Letzte Instanz nach den
Akustikausflügen im
letzten Jahr in erster Linie immer noch eine Rockband ist und
zwar eine laute.
Vielleicht profitiert das Werk dadurch, dass sich die Band nach
zwei Alben in Eigenregie wieder
einem Produzenten anvertraut hatte. Henning Verlage, den wir
bereits von seiner
Zusammenarbeit mit „Unheilig“
kennen, weiß das Vertrauen zu schätzen und revanchiert sich
mit einer erstklassigen Produktion. Auch meint man den Hauch des
legendären Principal Studios
(H-Blockx, Die Toten Hosen, In Extremo) durch "Schuldig" wehen zu spüren, schließlich
wurde dort ein Grossteil des Albums produziert und mit Vince Sorg
beim Mix der Scheibe auch
einer der hochgelobtesten Mischer der
Republik beschäftigt.
Woran auch immer es liegt, „Schuldig“
ist das stimmigste Album des Septetts, denn die Songs
sprechen für sich. „Eisherz“
etwa lässt die Haare zu Berge stehen und erst mit dem
letzten
Ton des Stückes findet die Frisur in die Ausgangsposition zurück.
Ähnlich rockig kommt „Mein
Engel“ daher und auch „Traumlos“ wehrt sich mit aller Macht
dagegen, eine Ballade zu sein.
Das ist in Sachen Brachialität freilich alles nichts gegen den
Kracher „Feuer“ – hier sollte man
die Anlage vorsichtshalber gleich aus dem Regal nehmen und auf
den Boden stellen.
Der Brachialrock ist aber nur eine Facette. Und während „Komm!“ daran erinnert, dass man
zur Instanz schon immer tanzen konnte, steht „Die Eine“ für die Folkwurzeln und „Flucht ins
Glück“, die erste Single des Albums, wird
nicht nur als Szenehit funktionieren.
Nicht zuletzt sind es die Texte von Sänger Holly, die „Schuldig“ großartig machen. „Wann“
etwa thematisiert Werteinflation und Sittenverfall und ist eine
Kampfansage gegen
Individualitätsgetue, „Traumlos“
erzählt von Jemandem, der auszog, das Lieben zu lernen,
in
„Die Eine“ wird aus Liebe Hass und „Mein Engel“ beschreibt den Wandel eines
Charakterzuges ins Gegenteil.
Meist entziehen sich jedoch die Lyrics
einer klaren Interpretation, zu vieldeutig sind die
Ansätze. Bei Songs wie „Finsternis“,
„Vollmond“ und „Eisherz“ ist der Hörer gefordert,
sich
seinen eigenen Reim zu machen. Deshalb soll auch der Albumname
nicht erläutert werden.
Denn ob die Letzte
Instanz sich schuldig bekennt oder den Hörer
schuldig spricht, ist
Ansichtssache.
Der Song „Der Garten“
dagegen lässt nur eine Interpretation zu: Glaube ist ohne
Institution
möglich. Religion kann jenseits von Kirchensteuer und Fanatismus
funktionieren. Die Idee zum
Text kam Sänger Holly bei einem Besuch einer Moschee in seiner
Wahlheimatstadt Istanbul.
Dort traf er auf einen alten Mann, der den Sänger nach seinem
Glauben befragte. „Ich sagte,
dass ich nicht an die Kirche glaube, aber Jesus und Mohammed für
fähige Leute
halte“, erklärt Holly, „Daraufhin lachte der Alte, umarmte mich
und schenkte mir sein
Gebetskäppi.“ Aufgenommen
haben die Instanzler das Stück mit der türkischen
Sängerin
Aylin Aslim, mit der Holly nicht nur die Liebe zur Musik, sondern auch die
Auffassung von
Glauben teilt: „Sie
ist keine Muslimin und ich bin kein Christ, und
trotzdem glauben wir
an Gott oder Allah und vor allem an das Gute.“, sagt Holly.
Neben Aylin zählt die Pianistin Leandra von Jesus On Extasy zu den Albumgästen, die die
Instanz schon bei der Akustiktour begleitete. Bei „Dein Licht“ spielt sie das Klavier.
Nicht nur Aylin und Leandra können
stolz sein, denn es ist das ohne Zweifel bisher beste Album
von Letzte Instanz. Es begeistert Fans, überzeugt bisherige
Skeptiker und gewinnt Freunde aus
ganz anderen musikalischen Lagern dazu. Glückwunsch!